Aussagen irrationaler Positionen

Obgleich irrationale Positionen sich einer logisch einwandfreien Begründung per definitionem entziehen, so können doch bestimmte Grundannahmen über die Wirklichkeit oder ihrer Teilaspekte zu irrationalen Positionen führen. Wir wollen uns hier nicht in einer umfassenden ideengeschichtlichen Darstellung verlieren, sondern typische irrationale Argumentationsmuster identifizieren.

Herabsetzung von Verstand und Vernunft

Hier gibt es zwei Hauptpositionen: Entweder wird die menschliche Vernunft als zu gering dargestellt, die Wirklichkeit begreifen zu können oder aber die Wirklichkeit selber würde sich nicht nach rationalen Gesetzmäßigkeiten verhalten.

Beispiel:

A: Warum begann der 1. Weltkrieg?

B: Es gab keinen Grund, die Leute begannen einfach zu schießen.

Komplexe Phänomene können sicherlich nicht immer zweifelsfrei in elementare Ursachen zerlegt werden, das wäre aber für einen rationalen Menschen kein Grund, die Existenz dieser Ursachen generell zu leugnen oder aber es für gänzlich unsinnig zu erklären, nach diesen Ursachen zu forschen. Dies wäre nach unseren Argumentationsregeln ein Fehler, da nur die Vorraussetzung oder der Schluss hinterfragt werden dürfen. Auch wenn es durch dieses Nachforschen nicht möglich sein sollte, die klare und eindeutige Wahrheit zu erkennen, so glaubt der rationale Mensch daran, dass vernunftbasiertes Untersuchen von komplexen Phänomenen einen Erkenntnisgewinn bedeutet. Aber: Ein rationaler Mensch ist durchaus in der Lage, eine mögliche Begrenztheit von bestimmten wissenschaftlichen Methoden anzunehmen.

Beispiel:

Die Chaostheorie beschäftigt sich mit den Grenzen der praktischen Berechenbarkeit. Doch gibt es auch theoretische Grenzen der Berechenbarkeit, wie das Halteproblem der Turingmaschinen zeigt.

Die Begrenztheit einer einzelnen Methode ist also rational denkbar, während eine prinzipielle Ablehnung vernunftbasierter Methoden eine eindeutig irrationale Position ist.

Kritiklose Verherrlichung der Intuition

Diese Position sieht in der Intuition die primäre Erkenntnisquelle. Ästhetisches Empfinden, Bauchgefühl, Eingebung, Emotionen, das Unterbewusstsein oder auch der gesunde Menschenverstand sollen die höchste Quelle der Erkenntnis sein. Weiterhin hält man die Intuition für höherwertiger als die Vernunft, möchte also auch keine logische Argumentation gelten lassen.

Beispiel:

A: Auch wenn alles dagegen spricht, so spüre ich doch, dass Aussage X wahr ist. Ich habe keine Lust mir das zerreden zu lassen.

Auch wenn das intuitive Erkennen von Zusammenhängen möglich sein mag, so erfordert die logische Argumentation die Begründung von Behauptungen, wenigstens im Nachhinein müssen also Beweise erbracht werden können. Das Verweigern der Beweise wäre nach unseren Regeln ein Argumentationsfehler. Der Intuition allein kommt kein argumentativer Wert zu, denn es ist durchaus möglich, dass sich die Intuition irren kann.

Beispiel:

Der sogenannte Spielerfehlschluss beruht auf falschen intuitiven Annahmen über die Wirklichkeit.

Häufig geht die Überbewertung von Intuition mit selektiver Wahrnehmung einher, so dass einseitig nur die Erfolge der intuitiven Erkenntnisse erinnert werden, die Misserfolge jedoch vergessen oder äußere Störfaktoren verantwortlich gemacht werden.

Aristokratische Erkenntnistheorie

Diese Position besagt, dass nicht jeder zum Verstehen in der Lage ist, sondern nur wenige, höhere Menschen. Die niedrigen Menschen sollten dann auf den höheren Menschen hören. Typisch sind solche Aussagen bei Personenkulten und andere Formen autoritären Gedankentums.

Beispiel:

A: Du bist noch nicht reif genug, die Wahrheit hinter meinen Worten zu sehen.

Unser Gegenüber sagt, dass er ein solch höherer Mensch ist, oder das er einen solchen Menschen kennt. Insbesondere sagt er, dass wir nicht zu diesen Menschen zählen, denn sonst müsste er uns ja nicht die Existenz dieser höheren Wesen offenbaren. Auch dies ist ein Verstoß gegen die zu erbringende Beweislast von Behauptungen. Eine rationale Position erkennt an, dass es bestimmte Spezialfähigkeiten gibt, die nicht innerhalb eines kurzen Gesprächs vermittelt werden können. Sonst wäre kein jahrelanges Studium notwendig, um bestimmte Fachkompetenzen zu erwerben. Diese Ausbildung macht jedoch nicht kompetenter in Bereichen, die nichts mit der Ausbildung zu tun haben. Ein Philosophieprofessor kann in der Regel keine Kühlschränke reparieren, ein Physiker ist kein Experte in Pädagogik. Eine Ausbildung zu einem umfassend besseren Menschen gibt es nicht, genauso wenig wie umfassend bessere Menschen überhaupt existieren.

Beispiel:

Die Rassenlehre lehrt die Existenz von Rassen, die unterschiedlich gut entwickelt seien. Alle diese Theorien gelten heutzutage als pseudowissenschaftlich.

Der Anspruch der logischen Argumentation ist ja gerade, allen Menschen zugänglich zu sein. Sicherlich ist nicht jeder Mensch an einer logischen Argumentation interessiert. Aus seinem Desinteresse lässt sich jedoch nicht schließen, dass er dazu prinzipiell nicht in der Lage ist.

Ablehnung der Wissenschaft überhaupt

Ein allgemeines Misstrauen gegenüber der Wissenschaft ohne konkrete, sachlich gültige Einwände zu bringen dürfen wir auch als irrational bezeichnen. Oftmals wird behauptet, dass bestimmte Wahrheiten systematisch unterdrückt werden oder aber die Wissenschaft durch wirtschaftliche Interessen der Geldgeber gar nicht objektiv sein kann.

Beispiel:

A: Die Darwinisten haben die Dinosaurierknochen vergraben, um die Glaubwürdigkeit der Bibel zu schädigen!

Die Wissenschaft auf Seilschaften von Ideologen zu reduzieren, ohne überhaupt einen intellektuellen Zugang zu den fraglichen Disziplinen zu haben, wäre nach unseren Argumentationsregeln ein Fehler, da auf erbrachte Beweise nicht eingegangen wird und nicht zur Sache gesprochen, sondern die Glaubwürdigkeit überhaupt in Frage gestellt wird. Ein rationaler Mensch hingegen geht davon aus, dass dort wo auf logische Argumentation wert gelegt wird, Erklärungsmodelle wohlbegründet sind. Dies bedeutet nicht, dass alles wo "Wissenschaft" draufsteht geglaubt werden muss. Natürlich kommt es vor, dass Studien im Sinne der Geldgeber manipuliert werden oder einfach methodisch fraglich sind, jedoch gibt es keinen ernstzunehmenden Grund, dahinter eine größere Verschwörung zu erkennen.

Beispiel:

Anhänger alternativer Heilmethoden bezichtigen manchmal die Pharmaindustrie einer systematischen Manipulation medizinischer Studien, ohne allerdings Beweise für die Funktionalität ihrer eigenen Heilmethoden bringen zu können. Auch fehlen Beweise für eine solche Verschwörung.

Wie sollte auch eine so große Verschwörung geheimgehalten werden, wenn es schon unmöglich ist die Fernverkehrszüge so miteinander zu koordinieren, dass sie wenigstens einigermaßen pünktlich sind? Natürlich aber ist Misstrauen angebracht, wenn Personen ein wissenschaftliches Vokabular gebrauchen, dass sie offensichtlich selbst nicht verstehen.

Schaffung von Mythen

Ein Mythos ist eine erfundene Geschichte die einen Wahrheitsanspruch hegt. Der Mythos entzieht sich also der logischen Argumentation, indem er sich beispielsweise über künstlerische oder moralische Kriterien zu legitimieren sucht. Moderne Mythen enthalten häufig politische Propaganda bestimmter Ideologien.

Beispiel:

A: Amerika ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, hier kann jeder vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen.

Diese Geschichten mögen vielerlei Funktionen haben, bestenfalls sind sie als Theorien bestimmter politischer oder religiöser Lager anzusehen. Als solche sind sie natürlich eher Ausdruck eines Programms, als das sie eine tatsächliche Wahrheit beschreiben. Menschen die Mythen schaffen, wollen also eine Gruppe von Personen überreden, die Wirklichkeit auf eine bestimmte Art und Weise zu sehen. Mythen zeichnen sich vor allen Dingen dadurch aus, dass sie nicht hinterfragt werden wollen, beziehungsweise auf Fragen nicht reagieren, was aus unserer Sicht ein Argumentationsfehler ist. Wahrscheinlich erhoffen sich die Schaffer dieser Mythen eine konkrete Verhaltensänderung, und sei es nur das der Trubel um ihre Person zunimmt. Ein rationaler Mensch hingegen weiß, dass die Vereinfachung eines Sachverhalts wie beispielsweise durch Modelle manchmal sinnvoll sein kann, weil die Fakten zu kompliziert sind, jedoch würde er solche Darstellung nie mit der Wirklichkeit verwechseln, so wie es Mythen tun.

Beispiel:

Ein Modell eines Einzellers reduziert den Einzeller auf bestimmte Funktionen, um seine Funktionalität einfacher zu verstehen. Es ist jedoch nicht identisch mit dem Einzeller selbst.

Erschwerend kommt hinzu, dass bestimmte Mythen versuchen die Wirklichkeit bewusst zu verfälschen. Das Argumentieren in Mythen übergeht die anderen Argumentationsteilnehmer, macht sie zu bloßen Empfängern des eigenen Sendungsbewusstseins.

Zusammenfassung:

Irrationale Aussagen sind beispielsweise die Herabsetzung von Verstand und Vernunft, die kritiklose Verherrlichung der Intuition, aristokratische Erkenntnistheorie, Ablehnung der Wissenschaft überhaupt und das Schaffen von Mythen.

Übung:

Identifizieren Sie die irrationalen Aussagen in folgenden Beispielen:

1) Homosexualität ist unnatürlich.

2) Menschen mit einer psychischen Störung sollten einen Vormund zugewiesen bekommen.

3) Künstliche Intelligenz ist gefährlich.

4) Ich erahne Gottes wirken.

5) Dieses Argument ist eine Kopfgeburt.

Lösung:

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Dieses Werk von Johannes Wolpers ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

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