Grenzen einer logischen Argumentation

Wir sehen also, dass sich trotz der einfachen Definition, was unter einer logischen Argumentation zu verstehen sei das Themenfeld äußerst umfangreich und interdisziplinär ist. Wir benötigen ja sogar ein Stück Küchentischpsychologie, um unsere Gesprächspartner einschätzen zu können. In jedem Fall müssen wir aber in der Lage sein, den Begriff logische Argumentation irgendwie einzugrenzen. Es sollte möglich sein zu erkennen, welche Sprachäußerungen und Sozialverhalten eindeutig nicht mehr dazu gehören.

Ein Anhaltspunkt ist das nicht Einhalten der Argumentationsregeln, die wir im letzten Kapitel aufgestellt haben. Dennoch hielten wir auch da fest, dass es unterschiedliche Auffassungen guter Regeln geben kann. Eine erste naheliegende Definition von einer der logischen Argumentation nicht mehr zugänglichen Position, ist offene Ablehnung des logischen Argumentierens selbst.

Beispiel:

A: Meine Erkenntnis kann ich nicht in Worten wiedergeben. Du würdest es nicht verstehen.

Da die Teilnahme an einer logischen Argumentation freiwillig sein sollte, ist es absolut legitim, sich nicht an einer logischen Argumentation beteiligen zu wollen. Doch was ist, wenn diese Weigerung dazu führt, dass Konflikte nicht mehr verbal gelöst werden können?

Bevor wir uns irgendwelche Gegenmaßnahmen überlegen ist es meistens sinnvoll, das Problem direkt anzusprechen.

Beispiel:

A: ..., deshalb halte ich meine Forderung nach einer Gehaltserhöhung für berechtigt.

B: Es tut mir leid, ich kann ihnen nicht mehr geben.

A: Warum Fragen sie eigentlich nach meiner Begründung, wenn sie sich schon längst entschieden haben und sie offensichtlich mein Anliegen überhaupt nicht interessiert?

Aus Höflichkeit vorgetäuschte sollte nicht mit tatsächlicher Argumentationsbereitschaft verwechselt werden. Das direkte Ansprechen eines solchen Verdachts kann zu starken Spannungen führen, eventuell sehen sich die verdächtigten Argumentationsteilnehmer so provoziert, dass die Argumentation keine logische mehr ist, sondern sie zu einem (verbalen) Schlagabtausch wird. Der erste Schritt ist schon getan. A hat den Verstoß von B gegen eine Argumentationsregel mit einem eigenen Verstoß (Unterstellung schlechter Motive) beantwortet. Andrerseits muss der Verstoß gegen die Regeln ausgesprochen werden, schon allein um klarzumachen, dass ein solches Verhalten nicht tolerierbar ist. Außerdem sollte man dem anderen Argumentationsteilnehmer zumindest die Chance geben, sein Verhalten zu überdenken. A befindet sich also gewissermaßen in einer Art Zwickmühle. Logisches Argumentieren ist eben nicht immer fair und manchmal muss unter verschiedenen schlechten Optionen die am wenigsten schlechte gewählt werden.  Das nicht-Ansprechen des Regelverstoßes führt jedenfalls nicht dazu, dass wir unser Argumentationsziel erreichen.

Je abhängiger wir von den Entscheidungen eines Argumentationsteilnehmers sind, desto begrenzter sind wir auch in der Durchsetzung von Zielen, die dem des anderen widersprechen.

Sind wir uns selbst nicht sicher, welches Vorgehen das günstigste sein könnte, ist es vielleicht hilfreich, andere in das Problem einzuweihen und ihre Einschätzung zu der Situation zu erfragen.

Dem logischen Argumentieren wird in unserer Kultur der Wert zugeordnet Konflikte verbal lösen zu können. Somit können wir damit rechnen, dass die Verweigerung von logischer Argumentation zur Lösung eines Konflikts zumindest missbilligt wird. Wir können also darüber nachdenken das Problem öffentlich zu machen oder eine öffentliche Stelle damit betrauen, indem wir beispielsweise zum Betriebsrat gehen.

Und schlussendlich sollte uns klar sein, je mehr Alternativen wir haben, desto weniger abhängiger sind wir.

Beispiel:

A: ..., deshalb halte ich meine Forderung nach einer Gehaltserhöhung für berechtigt.

B: Es tut mir leid, ich kann ihnen nicht mehr geben.

A: In diesem Fall muss ich leider in Erwägung ziehen, mich nach einer anderen Stelle umzusehen.

Ein anderer Fall liegt vor, wenn durch Verlockungen und emotionale Erpressung versucht wird, das Verhalten der Argumentationsteilnehmer zu manipulieren.

Beispiel:

A: Verantwortungsvolle Familienväter würden das Rauchen aufgeben.

Diese Behauptung, einfach so mit einem vorwurfsvollen Unterton in den Raum gestellt, reduziert die angesprochene Person auf ihre Rolle als Familienvater. Implizit ist die Aussage:

Voraussetzung 1: Solange du rauchst, bist du kein verantwortungsvoller Familienvater.

Voraussetzung 2: Du solltest ein verantwortungsvoller Familienvater sein.

Schluss: Du musst das Rauchen aufgeben.

 

B: Warum sollte ich ein verantwortungsvoller Familienvater sein?

A: Weil ich mich sonst scheiden lasse. (emotionale Erpressung)

oder

A: Weil verantwortungsvolle Familienväter liebenswert sind. (Verlockung)

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieser Dialog in dieser Form so stattfindet. Dennoch verdeutlicht er das Konzept der emotionalen Abhängigkeit. Obwohl wir alle nur Menschen sind, ist es in der Regel unklug ein solches Verhalten zur Regel werden zu lassen.

Anders als mit äußerlichen Abhängigkeiten geht es aber den meisten Menschen in intimen Beziehungen nicht primär um die Durchsetzung ihrer Interessen, sondern um das Ermöglichen eines für beide Seiten befriedigenden Zusammenlebens. Auch wenn Beziehungskisten nicht unbedingt durch logische Argumentation von allen Problemen befreit werden können, so kann es doch hilfreich sein in Konfliktsituationen sachlich zu bleiben und nach konstruktiven Lösungen zu suchen wie in Argumentationsziel b.

Zusammenfassung:

Wird eine logische Argumentation verweigert, die zur Lösung eines Konflikts notwendig ist, ist es möglich und auch sinnvoll dies direkt anzusprechen. Abhängigkeiten können verhindern, dass wir unsere Argumentationsziele erreichen. Es ist oft möglich, sich von solchen Abhängigkeiten ein Stück weit zu befreien oder aber diese anzupassen.

Übung:

Schreiben sie mindestens zwei Konfliktsituationen die sie verbal zu lösen versucht haben nieder. Was war ihr Argumentationsziel? Wie erlebten sie die anderen Argumentationsteilnehmer? Verhielten sie sich kooperativ oder eher nicht? Hielten sich alle an die Argumentationsregeln? Spielten Abhängigkeiten eine Rolle? Oder Emotionen? Wie gelang es ihnen den Konflikt zu lösen oder woran sind sie gescheitert?

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Dieses Werk von Johannes Wolpers ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

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